Eine Frage zum Design

geschrieben von - posted by Heinz Günter 
Eine Frage zum Design
03.04.12 22:02
Hallo an alle,

mich beschäftigt seit heute eine Frage, mein Enkel brachte mich darauf.

Weiß irgendeiner warum sich in den 60er Jahren das Design der Jukeboxen so radikal änderte.
Vorher gab es wunderschöne Jukeboxen, aber dann muß einer festgestellt haben, die sichtbare Mechnik sieht grauenvoll aus,
die muß weg.

Ab sofort wurde alles in viereckigen Hozkisten (Jukebox-Säge) versteckt, außen noch ein bisschen Glitter und Flitter das war es dann aber auch.

Viele Grüße

Heinz Günter
Re: Eine Frage zum Design
04.04.12 07:45
Na ja,das Stilempfinden ändert sich eben.

Und ich glaube nicht,das den Leuten in den fünfzigern das betrachten eines Plattenspielers so wichtig war,hatten sie ja alle bei sich zu Hause.

Die heutige Sicht auf die alten Boxen ist dann auch ein klein wenig nostalgisch verklärtes Heileweltbild.

Und mir gefallen einige sogenannte Jukebox-Särge besser wie so manche Box mit offenem Plattenspiel.

Dieter
Re: Eine Frage zum Design
04.04.12 20:13
Hallo,

über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten. Jede Zeit bringt kann schöne und weniger schöne Dinge hervorbringen. Ich persönlich finde es schade, daß alle Boxen nur nach offenem oder nicht-offenem Plattenspiel bewertet werden. So landen viele tolle Boxen aus den 70gern und 80gern auf dem Müll (angeblich nicht sammelwürdig), die vielleicht in 10 Jahren hoch begehrt sind. Auch diese Boxen sind Zeugen ihrer Zeit, genau wie die momentan so hoch begehrten 50ger Jahre Boxen mit offenem Plattenspiel. Ich finde, gerade die Vielfalt im Design macht den besonderen Reiz von Jukeboxen aus. Hätten alle Boxen ein offenes Plattenspiel, wäre es wesentlich langweiliger.

Viele Grüße.
Ernst-Philipp.
Re: Eine Frage zum Design
05.04.12 10:34
Ich habe eine schöne NSM Fanfare Silber
Diese Box war eigentlich vom Design der Zeit vorraus
Man kann die Box neben eine Conti oder eine Chantal stellen und es passt
Würde auch in ein Museum für moderne Kunst passen
Die Box war nie sehr gefragt, aber mittlerweile in unbeschädigten Zustand sehr selten geworden

Gruße
Franz
Re: Eine Frage zum Design
05.04.12 12:18


"Man kann die Box neben eine Conti oder eine Chantal stellen und es passt "

Naja naja....

"Würde auch in ein Museum für moderne Kunst passen "

Das würde ich schon eher unterschreiben.

Generell hab ich mich aber auch immer darüber gewundert, warum es Mitte der 60er so einen Designbruch gegeben hat. Vielleicht lag es auch nicht so sehr am Geschmack, sondern an den Kosten. Eine gerade Scheibe und Aluleisten sind vermutlich günstiger als eine Panoramascheibe und verchromte Scheibenrahmen.

Gruß - Eric
WLM
Re: Eine Frage zum Design
05.04.12 21:31
Wahrscheinlich spielt in den Designwechsel in den 1960er Jahren eine ganze Menge Zeitgeschichte mit rein:

Heutzutage werden wir von klein auf permanent mit Musik berieselt. Fast jedes Kind hat sein eigenes Musikgerät, sei es ein Radio, ein CD-Spieler, ein MP3-Player, ein PC oder ein Fernsehgerät. Musik-TV, Internet-Video-Portal – noch nie war es so einfach sein Lieblingsmusikstück zu Gehör zu bringen.

Was hat man um etwa 1900 gemacht, wenn man Musik zu Gehör bringen wollte? Bestenfalls hat zu besonderen Anlässen die Dame des Hauses zur Klavierbegleitung gesungen.

Es folgen mechanische Spieluhren mit wechselbaren Programmwalzen/-platten, dann die Sprechmaschinen, die Grammophone. Ja, in gut situierten Gasthäusern sogar mit Münzeinwurf und anschließender Selbstbedienung.

Radioprogramme – und die Betonung liegt hier auf Programm. Man hat die Geräte nur zu bestimmten Zeiten eingeschaltet, um einer bestimmten, bewusst ausgewählten Sendung zu folgen. Und wer hat diese Sendungen ausgewählt? Der Hausherr, nicht der Nachwuchs! Ansonsten hat höchstens noch der Lehrer in die Programmauswahl eingegriffen, in dem er seinen Schülern aufgab den Schulfunk zu hören.

Und längst nicht jeder Haushalt konnte sich solche Luxusartikel wie Radios, geschweige denn Plattenspieler leisten.

Musik hören war Luxus. Zu Tanzveranstaltungen spielte eine Kapelle.

"Break on through to the other side". Tanzschuppen, Musikclubs und Diskotheken im Weser-Ems-Gebiet in den 1960er, 70er und 80er Jahren. [www.schlossmuseum.de]

Eine Sonderausstellung mit diesem Namen berichtet darüber wie auf dem Lande aus Tanzsälen Diskotheken wurden. Darunter auch die Geschichte der berühmt-berüchtigten ostfriesischen Gastwirtin Meta Rogall aus Norddeich [de.wikipedia.org]

Und hier beginnt dann auch der Designwechsel bei den Jukeboxen. Musik wird allmählich zum preiswerten Massenkonsumartikel.

Statt massenhaft teure mehrköpfige Kapellen und Bands für die Tanzsäle und Tanzschuppen zu engagieren und zu verpflegen, kauft sich der Gastwirt zwei Plattenspieler und der Tanzsaal wird zur Diskothek.

Auch die Jukeboxen müssen sich diesem Preisverfall beugen. Sie werfen nicht mehr soviel Geld ab wie früher. Sie müssen preiswerter in der Anschaffung werden.

Kein teurer Import mehr. Die Deutsche Wurlitzer beginnt Anfang der 1960er mit ihrer Produktion in Deutschland. Das Innenleben ist weitestgehend baugleich mit den Vorgängern aus den USA. Das preiswerte manuelle Wahlrad statt teurer elektromagnetischer Wahltastaturen-Systeme kommt aber erstmals hier zum Einsatz.

Auch das Gehäuse wird schlichter, kleiner, eckiger, kantiger, leichter produzierbar. Die Box passt nun auch in kleinere Gasthäuser sowohl von ihrer Größe als auch von Ihren Anschaffungskosten. Die prächtigen USA-Boxen haben zuvor ihre Verbreitung von allem in den amerikanischen Besatzungszonen gefunden.

Es gibt bei den ersten deutschen Wurlitzer Modellen auch noch weiterhin das offene Plattenspiel. Vielleicht um auch bei den neuen Kundenschichten, die diesen Kasten nun erstmals auch in ihrer Gaststätte vorfinden, deutlich zu machen, was dieser Kasten ist : ein Musikautomat.

In den 1960er Jahren finden auch die Tonbandgeräte breiteren Einzug in die Wohnstuben. Musik lässt sich von Schallplatten oder aus dem Radio aufnehmen und beliebig oft wiedergeben.

Es folgt der Siegeszug der CompactCassette in den 1970er Jahren. Zunehmend können sich nun auch Jugendliche mit ihrem Kassettenrecorder ihr eigenes Musikprogramm zu Hause zusammen stellen. Ist kaum noch notwendig vor dem elterlichen Musikgeschmack zur Jukebox zu flüchten.

Entsprechend kleiner und unauffälliger werden die Jukeboxen. Die HideawayBoxen verbannen den klobigen Abspielmechanismus schließlich in den Keller. Nur noch die Bedienkonsole und die Lautsprecher befinden sich im Gastraum.

Mit dem Walkman in den 1980er Jahren verfolgt uns die Musik nun auch unterwegs. Mit den ersten privaten Radiosendern entwickelt sich auch das Formatradio: Den ganzen Tag lang eine Stilrichtung.

Musik ist endgültig ein Massenartikel. Die Jukebox ist tot. Es lebe die Jukebox.
Re: Eine Frage zum Design
06.04.12 08:36
Ich glaube nicht, daß der Designwechsel aus Kostengründen entstand. Die neuen Modelle waren nicht unbedingt billiger oder weniger aufwändig. Mit einer Musikbox konnte man, obwohl die Anschaffung und auch der Betrieb (Abgaben, Schallplatten, Service) sehr teuer war, viel Geld verdienen und auch den Getränkeumsatz vervielfachen. Ich will nicht sagen, daß der Preis in den 60er Jahren gar keine Rolle spielte, aber viel wichtiger war, daß das Ding gut und störungsfrei funktionierte, einen guten Klang hatte und daß es den Gästen gefiel. In den meisten Lokalen hing der Getränkeumsatz direkt vom Funktionieren der Musikbox ab. Wenn die Box ausfiel, war innerhalb kurzer Zeit das Lokal leer.

Es hat sich eher das Schönheitsempfinden der Menschen geändert, die die Musikbox benutzen sollen. Ähnliches passierte mit Autos, Häusern, Wohnungs- und Lokaleinrichtung, Radios und anderen Gebrauchsgegenständen und nicht zuletzt mit der Bekleidung. Schlichtere Formen wurden eben modern. Die Musikbox sollte nicht mehr der optische Mittelpunkt des Lokals sein, sondern sich möglichst an die Einrichtung anpassen.

Neben dem Schönheitsempfinden haben auch die zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere der Umgang mit mit dem anderen Geschlecht, verändert. In früheren Zeiten mußte sich ein Mann oft wochen- oder monatelang bemühen, bis er ein Mädchen herumkriegen konnte. Die Musikbox war dafür ein ausgezeichnetes Hilfsmittel. Man konnte sich unterhalten, man konnte seiner Angebeteten ihr Lieblingslied spielen lassen, tanzen (mit Körperkontakt) und so weiter. Heute läuft es eher folgendermaßen ab. Er: "Willst Du p...?" Sie: "OK. Gehen wir zu Dir oder zu mir?" Er: "Wenn Du lange darüber quatschen willst, lassen wir es lieber!" Dafür braucht man keine Musikbox mehr, das funktioniert auch in der Disco bei 110dB. Ich denke, daß das einer der Gründe (neben der freien Verfügbarkeit der Musik) für das Verschwinden der Musikboxen aus den Lokalen war.

Einer der Gründe für die europäische Produktion waren übrigens die Devisenbeschränkungen in der Nachkriegszeit. Wenn man ein Gerät aus den USA importieren wollte, mußte man einen Antrag für die Freigabe von Devisen bei der Nationalbank stellen und begründen. Das war oft ein schwieriges Verfahren. Daher suchten sich die amerikanischen Erzeuger Partner, die ihre Produkte in Lizenz und teilweise mit amerikanischen Bauteilen bauten (Wurlitzer, Rock-Ola - NOVA, AMI - Jensen, Evans - Bergmann/Harting usw.). Es gab aber auch findige Köpfe in Europa, die eigenständige Geräte entwickelten (NSM, Tonomat, Wiegandt, um nur einige zu nennen). Diese Geräte waren nicht unbedingt sehr viel billiger, weil sich die Entwicklungskosten auf eine wesentlich geringere Stückzahl aufteilten, aber es entfielen die teuren Transportkosten und der Zoll und natürlich die Probleme mit der Devisenfreigabe.

Rückblickend kann man sagen, daß es eine schöne Zeit war, als die Musikbox noch für die Unterhaltung sorgte. Es ist daher kein Wunder, wenn sich heute viele Leute ein Stück dieser "guten alten Zeit" nach Hause holen. Vielleicht gibt es auch eines Tages wieder Musikboxen in den Lokalen. Vereinzelt sieht man sie schon wieder, wenn auch zur Zeit noch mit mäßigem Erfolg.

Viele Grüße - charly49
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